Idee: Tauschring für online-Dienstleistungen

hummel

Neues Mitglied
Hallo zusammen!

Was haltet ihr von folgender Projektidee?

Es geht um einen Tauschring für Dienstleistungen, die online bzw. in elektronischer Form erbracht werden können, wie z.B. Texte verfassen oder übersetzen, Webseiten erstellen, Logos designen, Musik komponieren, Ratschläge erteilen etc. Das System würde auf einem virtuellen Zahlungsmittel (V$) basieren und eine Art Mischung zwischen exchange-me und freelancer.com darstellen.

Im Wesentlichen hätte das Webprojekt folgende Merkmale:
- Jeder User beginnt mit einem Startkapital von 0 V$ und kann sein Konto nicht überziehen. Der Benutzer hat aber trotz Nullsaldo die Möglichkeit, beliebig viele 1 V$-Projekte (sog. Freiprojekte) zu starten. Die Vollendung der Projekte führt zu einer entsprechenden Gutschrift beim Erbringer der Dienstleistung, jedoch zu keinem Negativsaldo beim Auftraggeber. Im Laufe der Zeit erhöht sich somit das Budget der fleissigen User, womit diese immer grössere und komplexere Projekte posten können. Je mehr Geld im System vorhanden ist, desto geringer wird die relative Kaufkraft jener Benutzer sein, die ohne eigenen Arbeitseinsatz nur Freiprojekte ausführen lassen. Um den Geldmengenzufluss und damit die Inflation im System zu begrenzen, könnte man zudem den Wert der Freiprojekte sukzessive reduzieren, z.B. pro 100 Anmeldungen halbieren. Damit bestünde ein gewisser Anreiz, sich möglichst frühzeitig fürs Projekt anzumelden.

- Der Auftraggeber legt für seinen Auftrag nebst der betreffenden Sparte (z.B. Übersetzungen) einen Richtpreis und einen Zeitrahmen fest. Der Auftrag wird danach auf der Homepage publiziert und jeder Interessent kann sein Angebot abgeben. Nach Ablauf der festgelegten Zeitdauer kann sich der Auftraggeber anhand der offerierten Preise und der User-Ratings aussuchen, ob und wem er seinen Auftrag vergibt.

- Nach Fertigstellung des Projekts bewertet der Auftraggeber das Ergebnis und der entsprechende virtuelle Geldbetrag auf das Konto des Beauftragten überwiesen. Ist der Auftraggeber mit dem Resultat überhaupt nicht zufrieden, kann er den Geldbetrag (vorerst) zurückbehalten und einen Disput auslösen. Dabei bewertet ein dritter Benutzer das Resultat und macht einen Vergleichsvorschlag über einen etwaigen Abzug vom vereinbarten Honorar. Sind beide Parteien mit dem Vorschlag einverstanden, wird das entsprechende Entgelt überwiesen und auch der Schlichter enthält einen gewissen prozessualen Anteil als Schlichtungshonorar. Andernfalls kann ein weiterer Schlichtungsversuch ausgelöst werden. Findet auch dieser keine beidseitige Zustimmung, wird noch ein dritter Versuch durchgeführt und der Fall entsprechend dem durchschnittliche Ergebnis der drei Schlichter automatisch beigelegt.

- Die Kommunikation zwischen Auftraggeber und Beauftragtem und der Versand des fertigen Produkts sollte allein über die Plattform stattfinden, damit die Schlichter über die nötigen Informationen verfügen.

Was haltet ihr von dieser Idee? Würde ein solches Tauschsystem in der Praxis funktionieren? Gibt es schon ähnliche Dienste im Web?

Ich bin gespannt auf eure Meinungen und bedanke mich für jeden Kommentar.
 
Ich bin mir da nicht so ganz schlüssig, ob sich das System nicht schon nach kurzer Zeit festfahren könnte. In dem Fall, wenn Du nur "fleißige" User hast, die sich so lange abrackern, bis dieses Freikontingent der Auftraggeber erschöpft ist, selbst wenn Du das an irgendeiner Stelle deckelst, könnte alles stagnieren.

Nächste Frage: ist der Bedarf überhaupt da, dass man solch eine Dienstleistung in Auftrag gibt. Beispiel: ich bin (angenommen) ein "Fleißiger" und schreibe für jemanden 200 Produktbeschreibungen und habe bei Dir als "Bankier" damit ein Guthaben von 600 "Deutschlandtalern". Nun lasse da mal 100 angemeldete Benutzer sein, von denen niemand arbeiten will, die also nur bei den 50 angemeldeten "Fleißigen" immer wieder Aufträge verteilen, die sie kostenlos abgearbeitet bekommen, um dann in den Miesen zu stehen. Dann dürfen die "Faulen" keine Aufträger mehr vergeben, die "Fleißigen" haben sich theortisch ein Vermögen verdient, das sie aber nicht ausgeben können, weil keiner da ist, der ihre Aufträge erfüllen will oder kann.

Das nächste wären die Schlichtungen. Damit könntest Du einen ganzen Mitarbeiterstab beauftragen und die würden immer noch nicht zum Ziel kommen, weil sich jetzt eine der beiden kriegführenden Parten einen Anwalt aus dem richtigen Leben nimmt. Der Aufwand wird vermutlich unverhältnissmäßig hoch werden, nehme ich mal an.

Ich kann mir vorstellen, dass es durchaus ein "Nischengeschäft" sein könnte, nicht kurzfristig, aber so in ein bis zwei Jahren. Ich hatte mal in den Anfangsjahren der DKG hier oben im Norden den Vertrieb mit aufgebaut und ich sage Dir, es war seeeeeeeehr schwierig da Partner mit ins Boot zu holen. Das lief allerdings über eine "Einstiegsgebühr" ab, um Spassmitgliedern ebendiesen zu verderben und sich nicht auf Kosten anderer zu sanieren.

Aber es war schon oft so, dass man eine scheinbar verrückte Idee, in ihren Anfängen nicht ernst genug genommen hat und sich hinterher über die ungenutzte Chance geärgert hat. Wäre ich an Diner Stelle, würde ich es machen, wenn der Kapitaleinsatz das rechtfertigt. Halt` mich mal auf dem Laufenden, es interessiert mich einfach mal, wie das ausgeht.

Sieh Dich mal auf der Seite um, über die ich im vorletzten Absatz geschrieben hatte: deutsche minus Kompensation mit Sitz in Berlin.
 
es ist eine Vermittlungsdienstleistung, und als solche braucht es eine kritische Masse von kompetenten Dienstleistern und zahlungswilligen Auftraggebern. Dies auf der grünen Wiese aufzubauen ist schon schwierig genug. Und jetzt kommst Du noch mit Deinen Sozialdollars. Das bedeutet, dass der Dienstleister, der diese Billigwährung auf seinem Konto hat, zwingend den Auftrag innerhalb Deiner Webseite vergeben muss, auch wenn er nicht wirklich begeistert ist vom Dienstleister.

Summa summarum: es gibt schon ähnliche Webseiten, aber die verwenden ein effizienteres Tauschmittel, genannt Franken (oder zur Not Euro). Bei einer solchen gut laufenden Webseite auf Sozialdollars zu wechseln, oder dies alternativ anzubieten, mag ja funktionieren, aber bei einem Start auf der grünen Wiese wird es schwierig. Kannst Du Dich mit einer bestehenden Dienstleistung zusammentun ?

Es ist auch die Frage, ob ein Programmierer wirklich andere Programmierer beauftragen möchte, oder ob er nicht eher sein Auto repariert und den Rasen gemäht haben möchte, und der Garagist möchte eine Webseite. Aber dann wird das Business wieder sehr lokal.

Tauschwährungen sprechen generell Leute an, die viel Zeit haben, zB arbeitslos sind, aber dennnoch qualifiziert sind, und die sich auf diese Weise etwas ausserhalb ihres Gebietes leisten können, das sie sonst nicht erhielten. Ich glaube, im Businessbereich hat das keine Chance, höchstens im Kleingewerbe und vor allem unter Privaten. In Spanien mit 25% Arbeitslosigkeit könnte es ein Hit werden - vielleicht auch in der DDR, waren sich die Leute dort doch gewohnt, Badewannen zu kaufen, wenn sie eine ergattern konnten, um sie dann über 7 Ecken in die effektiv benötigten Güter zu tauschen.

Schau Dir vielleicht noch www.derTausch.ch an, wurde bei AYOM ebenfalls besprochen. Es scheint, es kommen überhaupt keine Tauschgeschäfte zustande, ausser eben "Tausch" Ware gegen Geld.
 
QUOTE In Spanien mit 25% Arbeitslosigkeit könnte es ein Hit werden


In Spanien gibt es ähnliche Projekte. Ich wurde sogar öfter mal dorthin eingeladen. Im Wesentlichen ging es um Dinge wie "Haus streichen gegen Auto reparieren".

Letztes Endes klappt es aber selbst dort mit der hohen Arbeitslosigkeit nicht wirklich und die meisten dieser Projekte verlaufen im Sand. Denn im Endeffekt möchte jeder Dienstleister doch gerne ein bisschen Geld verdienen, damit er sich die Miete leisten kann. Geld ist nunmal das einzige Tauschmittel, in das überall das Gleiche Vertrauen herrscht, da es einen definierten Wert hat.

Was ist es z. B. Wert sich ein Logo designen zu lassen? 1/2 Quelltext? Oder doch 2/3 CMS? Es ist schwierig.

Geld regiert die Welt.
wink.gif
 
Der Feiertag ist gelaufen. Meine 2 Cents dazu:

Ich kenne von einem Verlag, dass der sich auf keine "Tauschgeschäfte" einlässt (im Sinne: ich werbe dort und er wirbt bei mir):

weshalb: solche Tauschgeschäfte verringern den MwSt.-pflichtigen Umsatz.

Klar: tönt mal positiv. Aber der Gesetzgeber könnte davon nicht erfreut sein. Das heisst, je nachdem ob die Leute MwSt.-pflichtig sind, und je nach Kombination bei den Partnern könnten Sie aus einer solchen Plattform natürlich einen MwSt-Rabatt ergeben, der den Staat halt nicht erfreut.

Im Kleinklein zwischen Hobbywebmastern und Leuten, die eben nicht MwSt.-pflichtig sind, ist natürlich kein Problem vorhanden. Die Frage ist einfach, ob eine solche Plattform irgendwann professionalisiert wird...

Na ja: und zu Deinem "Inflationsteil" sage ich nur soviel: wenn die Leute Konten mit konkret einbezahlten oder verdientem Geld auf Deiner Plattform hätten, wäre der Gegenwert immer klar: EUR. Irgendwann gibt es bestimmt Leute, die Deine virtuelle Währung gegen konkrete EUR eintauschen und dann kommt es auch zu Wechselkursen. Das wird für Wirtschafts-Studenten sicher fein zu beobachten. Vielleicht wird die Plattform auch nie die kritische Masse erreichen und einfach ein paar frustierte zurücklassen, die aussteigen wollen aber dann nichts erhalten...
 
Besten Dank für eure Antworten!

Ich muss euch wohl etwas enttäuschen: Das Projekt existiert erst auf Papier und es ist alles andere als sicher, ob es jemals verwirklicht wird. Trotzdem geistert die Idee einer solchen Tauschbörse seit längerem in meinem Kopf herum. Es geht mir dabei weniger um ein professionelles Kompensationssystem wie DKG oder WIR-Geld als um den Austausch blosser Gefälligkeiten, die keine schuldrechtlichen Ansprüche und Steuerfolgen begründen (vgl. https://www.exchange-me.de/nutzungsbedingungen). Zu diesem Zweck muss das System im rechtliche Sinne unentgeltlich sein. Eine virtuelle Währung dürfte diese Voraussetzung m.E. erfüllen, solange die Währung nicht konvertierbar ist. Aus diesem Grund verbietet sich etwa die Möglichkeit einer Überweisung von V$ von einem Benutzerkonto auf ein anderes, da dies die Entstehung von Exchange-Diensten (V$ gegen EUR) ermöglichen bzw. begünstigen würde.

Ich sehe durchaus eine gewisse Marktlücke für "elektronisch" erbringbare Gefälligkeiten. Soweit ich es überblicke, existieren Tauschsysteme nämlich vor allem im Bereich der Nachbarschaftshilfe. Diese haben aber den Nachteil eines begrenzten Einzugsgebiets und einer gewissen Hemmschwelle, wildfremden Personen sein Auto, Haus, Kind usw. anzuvertrauen. Gerade im textuellen Bereich (Übersetzen, Lektorat, Redaktion) liegt viel Humankapital brach. Es gibt bestimmt nicht wenige zwei- oder mehrsprachige Personen (z.B. Deutsch und Englisch), die ab und wann mal einen fremdsprachigen Text (z.B. Japanisch) übersetzt haben möchten und hierzu bereit sind, zunächst ihre eigene Arbeitskraft einzusetzen, um sich den entsprechenden Kredit zu verdienen.

Eine gewisse Hemmschwelle besteht andererseits bei entgeltlichen Freelancer-Vermittlungen, weil sich der Kunde nie ganz sicher sein kann, ob die Gegenseite das Projekt für das ausgemachte Entgelt auch wunschgemäss ausführt. Bei Gefälligkeiten ohne monetären Gegenwert entfällt dieses Problem.

QUOTE Ich bin mir da nicht so ganz schlüssig, ob sich das System nicht schon nach kurzer Zeit festfahren könnte. In dem Fall, wenn Du nur "fleißige" User hast, die sich so lange abrackern, bis dieses Freikontingent der Auftraggeber erschöpft ist, selbst wenn Du das an irgendeiner Stelle deckelst, könnte alles stagnieren.


Man kann das ganze auch von einer anderen Seite aus betrachten. Es gibt im Web zahlreiche Foren und Ratgeberseiten, die den fleissigen bzw. altruistischen Usern keinerlei Vorteile bieten, wenn sie (gehaltvolle) Antworten verfassen. Dennoch funktionieren diese Webseiten im Grossen und Ganzen. Mit einer virtuellen Währung als Belohnungssystem könnte man sowohl die Qualität der Beiträge als auch die Motivation der Benutzer steigern und das Forensystem auf grössere Gefälligkeiten ausweiten.

Natürlich ist der Aufbau eines solchen Tauschrings nicht einfach, da eine bestimmte kritische Grösse erforderlich ist, damit das verdiente Geld auch (sinnvoll) ausgegeben werden kann. Aber jedes System fängt mal klein an. Die wichtigste Frage ist, wie das Geld ursprünglich ins System gelangt. Hierfür bieten sich zwei Modelle an: 1) Die Möglichkeit, sein Kredit bis zu einem festgelegten Limit zu überziehen und 2) Aufträge, die das Konto des Auftraggebers nicht belasten, beim Empfänger aber zu einer Gutschrift führen (fiat money).

Indem man bei 2) den Wert der Freiprojekte (sprich die Gutschrift beim Empfänger) mit steigender Benutzerzahl verringert, dürfte sich die Kaufkraft des bereits verdienten Gelds laufend erhöhen, weil sich die fleissigen Benutzer vermehrt den grösseren Projekten widmen werden (und deren Preis drücken), von denen sie sich höhere Gewinne versprechen. Damit verlagert sich die Tätigkeit von den Freiprojekten hin zu Projekten, die aus bereits verdientem Geld finanziert werden. Insgesamt weist System damit eine deflationäre Tendenz auf, weil die Geldmenge im System unterproportional zur Benutzerzahl ansteigt. Hiervon profitieren - wie bei einem Schneeballsystem - diejenigen Benutzer, die sich möglichst früh anmelden und Aufträge abarbeiten. Der mit der Erledigung eines kleinen Freiprojekts in der Anfangsphase verdiente Geldbetrag könnte nämlich einige Monate/Jahre später ein mehrfaches Wert sein, weil die gesamte Geldmenge im System geteilt durch die Anzahl Benutzer viel geringer ist.


QUOTE Was ist es z. B. Wert sich ein Logo designen zu lassen? 1/2 Quelltext? Oder doch 2/3 CMS? Es ist schwierig.


Dank der vorgesehenen Bieterrunde für die ausgeschriebenen Aufträge (bei genügend hoher Benutzerzahl) sorgen Marktmechanismen für die Preisgestaltung in den Aufgabenbereichen. Je mehr Benutzer eine bestimmte Aufgabe erledigen wollen, desto tiefer dürften die Preise für die Leistung ausfallen.
 
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